Simone Fleischmann, die Präsidentin des BLLV, betont: „Inklusion wird heute nur durch den Einsatz und den pädagogischen Idealismus von Lehrerinnen und Lehrern am Leben gehalten. Dieser Idealismus zeichnet uns aus, aber so kann es auf Dauer nicht weitergehen.“ Inklusion, so Fleischmann, dürfe kein Sparmodell sein, das auf dem Rücken von Lehrkräften an den Regelschulen durchgesetzt wird: „Es gibt Konzepte und Ideen für eine gelungene Inklusion. Nach über 15 Jahren wird es Zeit, diese endlich umzusetzen.“
So wundert es nicht, dass 97 Prozent der Befragten Inklusion für ein unter den derzeitigen Rahmenbedingungen des Ministeriums nicht realisierbares Ziel erachten. Lediglich von Schulleitung, Kollegium und Schulberatung vor Ort fühlen sich die Lehrkräfte in ihrer Arbeit unterstützt. Hier wird die hohe Frustration der Befragten deutlich, die sich von der Politik allein gelassen fühlen.
„Inklusion ist unbedingt das richtige Ziel, aber wir dürfen die Lehrkräfte vor Ort damit nicht alleine lassen. Natürlich gibt es Fortbildungen und Unterstützungssysteme, aber nur in homöopathischen Dosen. Die Kinder bekommen nicht die Förderung, die sie brauchen. Besonders schlimm trifft es die Regelschulen. Für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine Förderschule besuchen, wird rund das Doppelte aufgewendet wie für die, die an einer Grund- oder Mittelschule inklusiv beschult werden. Diese Differenz kann man als unfreiwillige Spende der Kolleginnen und Kollegen an den Staat betrachten“, so Dr. Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik des BLLV.
Die Ergebnisse im Einzelnen: Mangel an Ressourcen für Bildung
Nur rund ein Drittel der Befragten gab an, dass sie Unterstützung durch Schulbegleitung, Sozialpädagoginnen und -pädagogen oder Sozialarbeiterinnen und -arbeiter bekommen. Noch seltener unterstützen der Mobile Sonderpädagogische Dienst (MSD) oder Förderlehrkräfte die heterogenen Lerngruppen. Ähnlich schlecht sind die Zahlen, wenn man nach der Durchführung von Förderstunden fragt: Nur 21 Prozent der Befragten gaben an, dass diese regelmäßig an ihrer Schule stattfinden.
Mangel an Zeit und geeigneten Fortbildungen
Nur acht Prozent der Befragten gaben an, dass die Anzahl von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bei der Klassenbildung eine Rolle spielt. Entsprechend unterscheidet sich laut 85 Prozent der Befragten die Klassengröße von inklusiven Klassen nicht von der Größe nicht-inklusiver Klassen. Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf werden bei der Stundenzuweisung von Lehrerstunden bislang oft kaum berücksichtigt: Zumindest an den Regelschulen, wo der Großteil der Inklusion heute stattfindet, kommen kaum zusätzliche Stunden an. Der BLLV fordert deshalb, dass bei Budgetierung und Stundenzuweisung an den Schulen Kinder mit Förderbedarf dreifach gezählt werden. Ähnliches gilt für die Stundenzuweisung für den MSD, der Regelschulen bei der Inklusion begleitet und berät. Auch hier muss aus Sicht des BLLV die Stundenzuweisung nach der Zahl der Kinder mit Förderbedarf erfolgen, die der jeweilige MSD betreut.
„Wenn wir in einem Jahrgang mit 18 Kindern sieben mit einem diagnostizierten Förderschwerpunkt haben und darunter wiederum Kinder mit emotional-sozialem Förderbedarf, dann wollen wir diesen Kindern gerecht werden – genauso wie allen anderen in der Klasse. Und das braucht Zeit für Bildung und die entsprechenden Ressourcen. Schulen mit dem Schulprofil Inklusion bekommen zwar bis zu zehn zusätzliche Lehrerstunden und zwölf Stunden für Sonderpädagogen, aber das reicht hinten und vorne nicht. Über die Situation an Regelschulen, wo wir oft genauso viele Kinder mit Förderbedarf haben, will ich gar nicht reden“, so Monika Faltermeier, Lehrerin an der Marie-Pettenbeck Mittelschule und Vorsitzende Junger BLLV.
Die Lehrerinnen und Lehrer, die vor Ort an den Schulen versuchen, den Kindern gerecht zu werden, haben laut der Umfrage außerdem kaum Möglichkeiten, sich angemessen fortzubilden, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. 49 Prozent der Befragten bewerten das Fortbildungsangebot als mangelhaft oder ungenügend. Bei weiteren 25 Prozent reicht es noch für die Note „ausreichend“ – Gesamtnote 4,3.
Mangelhafte Schulbegleitung und Lehrermangel
Der Einsatz von Schulbegleiterinnen und Schulbegleitern wird immer wieder als wichtiger Baustein der Inklusion angeführt, aber auch hier ist die Realität ernüchternd: 75 Prozent plädieren für eine Neukonzeption der Schulbegleitung und sehen den bisherigen Ansatz als nicht genutzte Chance. Aus Sicht des BLLV mangelt es an einer qualifizierten Ausbildung, an angemessener Bezahlung und dem arbeitsrechtlichen Status - eine Chance wäre die Entwicklung eines Berufsbilds „Sonderpädagogische Inklusionsassistenz“ mit einer Zuordnung zum Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Statt eine punktuelle Einzelfallbetreuung zu bieten, könnte die Schulbegleitung mit einem breiten Einsatzgebiet und guter Qualifikation damit zu einer echten Unterstützung für die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und die Lehrkräfte werden.