Pressemitteilung – Ziel der Inklusion an deutschen Schulen ist es, auch Kinder und Jugendliche mit körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen an Regelschulen zu unterrichten und sie dort individuell zu unterstützen. Doch die meisten Schulen sind hierzu noch nicht in der Lage. Ein Modellprojekt zur Integration von Schülern mit einer Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) an einer bayerischen Mittelschule zeigt, in welch umfangreichem Maße hierfür verbesserte Rahmenbedingungen erforderlich sind.
Kindern und Jugendlichen mit einer ADHS fällt es schwer, sich längere Zeit zu konzentrieren. Sie sind leicht ablenkbar, versinken in Tagträumen oder stören den Unterricht durch ihr impulsives oder zappeliges Verhalten. Mit einer fachgerechten, individuellen Behandlung und speziellen Unterrichtsmethoden ist es jedoch möglich, Kinder mit ADHS gemeinsam mit nicht betroffenen Mitschülern zu unterrichten. Entscheidend ist dabei, dass Lehrkräfte, Eltern und Kinder eng zusammenarbeiten. Ohne eine individuelle Unterstützung sind die Betroffenen sozial benachteiligt und bleiben mit ihren Schulleistungen oft weit hinter ihren Möglichkeiten zurück – mit entsprechend negativen Folgen im späteren Leben.
Eine bayerische Mittelschule ergreift Initiative
In der Josef-Zerhoch-Mittelschule im bayerischen Peißenberg waren im Schuljahr 2011/12 10 Prozent der Fünftklässler von einer ADHS betroffen. Um mit der Herausforderung ADHS an seiner Schule konstruktiv umzugehen, startete Rektor Hans Socher ein auf drei Jahre angelegtes Modellprojekt. In Zusammenarbeit mit dem Amt für Jugend und Familie und den Psychologischen Stellen für Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung sowie mit einem Team externer Experten bestehend aus einer Psychologin, einer Sozialpädagogin und einer Erzieherin etablierte die Schule einen Kinderkurs, ein Begleitseminar für Lehrer und Eltern und einen offenen Gesprächskreis. Alle Beteiligten wurden in einen engen Austausch gebracht.
ADHS ist Teamarbeit
„Die Eltern einzubinden war entscheidend für den Erfolg“, betont Socher. „ADHS erfordert Teamarbeit. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, klappt es auch.“ Im Kinderkurs wird spielerisch die Konzentrationsfähigkeit trainiert und das Selbstbewusstsein der Kinder gestärkt. Im Begleitseminar bringen Lehrer und Eltern ihre jeweiligen Perspektiven zur Sprache und stimmten das gemeinsame Vorgehen ab. Dass sich die Eltern mit den Lehrern austauschen, motiviert die Kinder zusätzlich. „Sie sind ganz begeistert, wenn sie sehen: Die Eltern und die Lehrer arbeiten gemeinsam für uns!“, berichtet Socher. Durch die Durchführung in der Schule können auch Kinder profitieren, deren Familien die Wege zu den Therapiezentren nicht bewältigen können.
Blaupause für ganz Deutschland
Klaus Wenzel, vormals Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands und Mitglied im Beirat von ADHS und Zukunftsträume, bezeichnet das Peißenberger Projekt als vorbildlich. „Hier wurde eine Blaupause geschaffen, wie Kinder mit Wahrnehmungs- und Verhaltensauffälligkeiten in den allgemeinen Unterricht integriert werden können. Nach diesem Muster können Schulen in ganz Deutschland vorgehen“, so Wenzel.
Er bemängelt jedoch, dass die Schulleitung die erforderlichen Ressourcen selbst beschaffen und die Finanzierung mit Hilfe von Sponsoren sicherstellen musste.
Schulpolitik in der Pflicht
Wenzel sieht hier die Schulpolitik in der Pflicht: „Inklusion ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie steht und fällt mit einer vernünftigen Ausstattung unserer Schulen und qualifizierten, multiprofessionellen Teams.“ Kleinere Klassen, Team-Teaching, Stärkung der Lehrerkompetenz und die Einbindung externer Experten seien unverzichtbar, um den Anforderungen gerecht zu werden. Derzeit gehe die mangelhafte Umsetzung der Inklusion zu Lasten der Schüler, der Lehrer und der betroffenen Familien. Überlastung, Frustration und Resignation seien nicht selten die Folgen. Das dürfe nicht länger so weitergehen. „Alle Verantwortlichen sollten die Inklusion als Chance begreifen, unser Schulsystem endlich an die Realitäten im 21. Jahrhundert anzupassen“, appelliert Wenzel. Hierzu sei auch ein neuer, ganzheitlicher Bildungsbegriff vonnöten. Renate Schmidt, ehemalige Bundesfamilienministerin und Schirmherrin der Informationskampagne ADHS und Zukunftsträume, ergänzt: „Viele Kinder entsprechen eben nicht der Norm, an der sich unser Schulsystem noch immer orientiert. Diese Kinder haben aber ein Recht auf Chancengleichheit, und unsere Gesellschaft kann es sich auch nicht leisten, ihre Talente und Fähigkeiten weiterhin zu ignorieren.“
ADHS und Zukunftsträume
Die Informationskampagne ADHS und Zukunftsträume unter der Schirmherrschaft von Bundesfamilienministerin a. D. Renate Schmidt schafft Aufmerksamkeit für die Situation von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Der Kampagnenbeirat hat 10 Ziele für 2020 definiert, die erreicht werden müssen, um die ADHS-Versorgung in Deutschland zu verbessern.
ADHS und Zukunftsträume wurde initiiert von der Shire Deutschland GmbH in Zusammenarbeit mit dem Selbsthilfeverband ADHS Deutschland, der Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte und dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband.
Mehr Informationen unter <link http: www.adhs-zukunftstraeume.de>www.adhs-zukunftstraeume.de
Kontaktinformationen:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband
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ADHS und Zukunftsträume
Uli Ellwanger
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