bllv_schoener-leben-mit-stress.jpg
Gesundheit Service

Achtsamkeit und Gelassenheit sind eine Frage der Übung

Stressauslösende Denkmuster überwinden

 

Dem Stress mit Achtsamkeit begegnen, Gelassenheit durch Übung trainieren: Sicher ist Ihnen die „Achtsamkeit“ als Schlagwort schon mal begegnet. Warum sie hilft und wie sie funktioniert – sich daran zu erinnern, erleichtert den Start ins Schuljahr.

 

Wie Stress entsteht

Dem Konzept der Stressregulierung durch Achtsamkeit liegen zwei Prämissen zugrunde, die Hirnforschung und Neuroimmunologie immer wieder bestätigen konnten:

  • Ob wir – und das gilt für Lehrerinnen und Lehrer genauso wie für Schülerinnen und Schüler – im Schulalltag mit Stress reagieren, hängt davon ab, wie wir Situationen bewerten.
  • Unsere Gedanken und Gefühle beeinflussen unsere körperliche Verfassung und umgekehrt. Klingt nach einer oft gehörten Erkenntnis; wie weit dieser wechselseitige Einfluss aber reicht, machen wir uns selten klar.

Wurzeln des Stresses

Bei der Entstehung von Stress spielen zwei wirkmächtige Mechanismen zusammen: Stress ist die evolutionär gewachsene Reaktion auf Bedrohung. Stressreaktionen (Flucht oder Angriff) retteten und retten den Menschen zuverlässig. Wie stark deshalb die älteren Hirnschichten in unser Fühlen und Verhalten hineinregieren, ist uns nicht bewusst.

Anders verhält es sich mit den vermeintlichen Bedrohungen im sozialen Bereich. Sie sind erlernt, zum Beispiel Leistungsanforderungen, die wir schon als Kinder verinnerlichen. Sie lösen automatisierte Reaktionsmuster aus. Ein vermeintlich kritischer Blick des Direktors stößt das Gedankenkarussell an: Wir genügen nicht, werden ungerecht behandelt etc. Wir bewerten und befürchten, und machen uns unsere Reaktions- und „Katastrophisierungsmuster“ oft nicht einmal bewusst. Aber im Körper haben diese bereits eine Stressreaktion ausgelöst.

Selbsterforschung statt Patentrezept

Biografisch erworbene Erfahrungs- und Verhaltensmuster sind also verwoben in biologische Gegebenheiten. Das macht den Stress so mächtig. Daraus folgt auch: Es gibt kein Patentrezept zur Stressbewältigung, jeder muss Forscher in eigener Sache werden. Und dieses Forschen muss sich auf Körper und Bewusstsein erstrecken.

Lernen, Einfluss zu nehmen

Die gute Nachricht: Wir können unsere Aufmerksamkeit für körperliche Eindrücke, Gefühle und Gedanken schulen. Mit Achtsamkeitsübungen lässt sich die Aufmerksamkeitsspanne erhöhen, diese Übungen fördern die emotionale Selbstregulation und bewirken Stressresilienz.

Was ist Achtsamkeit?

Achtsamkeit ist das nicht wertende, fortwährende Wahrnehmen geistiger Zustände und körperlicher Empfindungen, ein stetiges in Kontakt sein mit dem eigenen Körper. Bewusst im Augenblick sein, ohne zu beurteilen – das klingt harmlos, ist aber herausfordernd. Denn auch das Bewerten von Situationen gehört zu unserer biologischen Grundausstattung, es sichert unser Überleben.

Das Bewerten einstellen

Wie stark wir Situationen und Menschen um uns herum bewerten – auch das machen wir uns selten bewusst. Wir spüren häufig nur das, was diese Bewertungen in uns auslösen: körperliche Anspannung, diffuses Unbehagen. Jeder hat sein ureigenes Bewertungssystem, es ist Ergebnis der biografischen und kulturellen Auseinandersetzung mit der Umwelt. Diese Zuschreibungen sind aus einer Haltung der Achtsamkeit heraus leichter zugänglich. Die häufig ausgegebene Losung „ohne zu bewerten“ bedeutet, sich klar zu machen, dass es Bewertungen gibt, wir ihnen aber nicht nachgeben müssen, sie vielmehr erforschen und dadurch besser verstehen können.

Achtsamkeit üben

Achtsamkeit ist eine Frage der Übung, jede Übung schult die Fähigkeit zur Selbstberuhigung. Man kann üben, bewusst zu atmen oder seinen Körper auch im Ruhezustand besser zu spüren („Body-Scan“). Wer regelmäßig übt, verfeinert seine Selbstwahrnehmung und das Gespür für die individuellen äußeren und inneren Stressoren und kann sie so entschärfen. Licht auf uns unbewusste Strukturen zu werfen – kognitiv, und in Verbindung mit unseren Gefühlen und Körperempfindungen – befähigt uns, sie zu verändern.

Als Lehrerin oder Lehrer können Sie beispielsweise erforschen, wie Sie in eine Klasse gehen, welcher Typ von Schüler Ihr persönliche „Höllenschüler“ ist, und was er in Ihnen auslöst. Das zu beobachten, ermöglicht Ihnen, eigene Anteile im meist festgefahrenen Beziehungsmuster zum Schülern zu identifizieren. Damit reduzieren Sie die Gefahr, sich in individuellen Gefühls- und Verhaltensautomatismen zu verharren.

Quelle:
Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung des sehr lesenswerten Textes „Die Haltung der Achtsamkeit – Bewältigungsstrategien für den Schulalltag“ der Oberstudienrätin und Psychologin Vera Kaltwasser aus Lernchancen 87/88 2012, S. 82 f.