Nicht erst seit Hatties Metastudie ist die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit für den Lernerfolg wissenschaftlich untermauert. Prof. Bauer hatte in eigenen früheren Untersuchungen gezeigt, dass in Berufen wie Ärzten und Lehrern die Beziehungskompetenz entscheidend ist für den Erfolg. Fehlt diese, leidet die Gesundheit von Lehrkräften.
Kern der Beziehungskompetenz ist Einfühlung
Nach dem Nobelpreisträger Daniel Kahneman verfügt jeder Mensch über zwei neurobiologische Systeme. Das erste reagiert schnell, spontan, die zuständigen Spiegelneuronen handeln präreflex. Für Empathie ist das zweite, langsamere System notwendig, mit einem bewussten Erfassen der Situation, einem Hineinversetzen in den Anderen und mit Nachdenken. Empathie ist im Gehirn im präfrontalen Cortex angesiedelt.
Empathie braucht Zeit
Zeit ist eine Grundvoraussetzung für Empathie, wie der prominente Forscher betonte. Empathie sei in Hektik aber schlichtweg unmöglich. Das zeigten auch Tierversuche. Auf Stress antwortet das Hirn Bauer zufolge mit Mustern: mit der immer gleichen emotionalen Reaktion auf eine bestimmte Situation. Reflexion kann solche Routinen aufdecken. Im Gespräch – zum Beispiel mit Kollegen, die ihre Sicht auf den Umgang mit einem Schüler einbringen – könne man es schaffen, diese neu und anders zu verstehen. Supervisionsgruppen seien daher sehr wichtig und hilfreich, um negative Resonanzmuster aufzubrechen.
Bindungsunfähige Kinder
Trotz intensivster Bemühungen seien manche Kinder durch Empathie nicht zu erreichen, weiß auch Bauer. Dies liege meistens an fehlender Bindungsfähigkeit, die in frühkindlicher Zeit nicht entsprechend ausgebildet wurde. Häufig erschwert auch eine misstrauische Grundhaltung der Eltern eine erfolgreiche Beziehungsarbeit mit Schülern. Eine Zusammenarbeit von Schule und Eltern ist somit essentiell. Scharf kritisierte der Neurobiologe die Regierung. Diese fahre die Schule seit Jahrzehnten auf Sparmodus anstatt in mehr Personal zu investieren.
Erschöpfte Empathie als Symptom für Burnout
Gerade Idealisten laufen Gefahr, dass ihre Empathie in Zynismus umschlägt und Arbeits-Motivation und -Leistung einbrechen. Das bezeichnet man als Burnout. Die Zunahme der Burnout-Raten hängt laut Bauer auch mit der ständigen Reizüberflutung durch die digitale Revolution zusammen.
Wie kann sich jeder schützen?
Jede Lehrkraft sollte ihre Distanzierungsfähigkeit stärken. Man müsse seine Empathie dosieren und von dem Gedanken Abstand nehmen, alle Schüler retten zu wollen, sagte Bauer. Langfristig präge Schüler eher eine Haltung, die als Vorbild dient. Persönliche Prioritäten sollte man auf den Prüfstand stellen und neu ordnen. Hilfreich könne zum Beispiel das Abwerfen von Verpflichtungsballast sein. Man sollte sich immer wieder fragen „Was tut mir selbst gut?“ Und sich in der Konsequenz von Personen, die einen nerven, fernhalten. Bauer nennt das Selbst-Achtsamkeit. Das stärke den präfrontalen Cortex – und damit die Fähigkeit zu Empathie. Nicole Leber
„Selbststeuerung. Die Wiederentdeckung des freien Willens“: Am 14. April 2015 erscheint Prof. Dr. Bauers neues Buch im Blessing Verlag.
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