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Wie Lehrkräfte bei sexuellem Missbrauch helfen können

BLLV-Vizepräsident Tomi Neckov spricht mit Schulpsychologe und FG-Leiter Schulpsychologie Sigi Hümmer darüber, wie sich Lehrkräfte bei Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch verhalten sollten und welche neuen Hilfsangebote es gibt.

Die Zahlen sexuellen Missbrauchs sind in der Corona-Pandemie gestiegen. Deshalb ist gerade jetzt die Rolle der Lehrkräfte besonders wichtig: Sie sind bei der Aufdeckung von sexuellem Missbrauch gefragt.

Tomi Neckov: Wie erkenne ich als Lehrkraft, dass ein Kind in meiner Klasse sexuell missbraucht worden ist?

Sigi Hümmer: Der Umgang mit Kindern, die sexuellen Missbrauch erfahren haben, erfordert viel Fingerspitzengefühl. Es kann immer nur darum gehen, erste Hinweise wahrzunehmen. Das bedeutet für die Lehrkraft, genau hinzusehen und zu beobachten, wie sich das Verhalten des Kindes verändert hat. War es zuvor aufgeschlossen und kontaktfreudig und wird jetzt plötzlich still und zieht sich von all seinen Freunden zurück, kann dies ein Hinweis sein. Oder natürlich auch genau umgekehrt: Ein Kind, das vorher still, eher introvertiert war, ist jetzt ganz aufgedreht und begegnet anderen Menschen eher distanzlos.

Was sollte ich als Lehrkraft dann tun?

Wichtig ist vor allem, die Gefühle des Kindes oder Jugendlichen ernst zu nehmen, zu beobachten und wahrzunehmen und vor allem da sein, wenn der oder die Betroffene sich an die Lehrkraft wendet und um Hilfe bittet oder dementsprechende Signale aussendet. Bei Gesprächen ist es wichtig nur zuzuhören, nicht nach Details fragen, da sonst neue Bilder entstehen und Realität und Fantasie miteinander verschwimmen können. Eventuelle Aussagen bei der Polizei später werden dadurch unbrauchbar. Wichtig ist für die Betroffenen, dass man ihnen zusichert, dass ihnen geholfen wird.

An wen kann ich mich wenden, wenn ich einen Verdachtsfall habe?

Im schulischen Kontext auf jeden Fall die zuständige Schulpsychologin oder den zuständigen Schulpsychologen einschalten. Er oder sie kann dann entscheiden, ob weitere Schritte unternommen werden sollen. Eventuell hat die Schule auch ein Schutzkonzept gegen sexuellen Missbrauch erstellt und das schulische Krisenteam kann sich beraten - natürlich immer unter strengster Verschwiegenheit. Es könnten auch Schulpsychologinnen und Schulpsychologen von KIBBS eingeschaltet werden. Auch bei der Polizei kann man sich Rat holen. Sie verfügt über entsprechend geschulte Beamte. Dazu kann man sich beispielsweise bei der Schulleitung den Verbindungsbeamten der Polizei erfragen. Hier ist es allerdings wichtig, dass Hinweise nur anonymisiert in Form einer "offenen Anfrage" erfolgen, da sonst die Staatsanwaltschaft ermitteln muss.

Kann ich als Lehrkraft meine Schüler vor sexuellem Missbrauch schützen?

Einen absoluten Schutz vor sexuellem Missbrauch kann die Lehrkraft sicher nicht leisten. Wir wissen heute, dass sexueller Missbrauch häufig von vertrauten Personen und häufig auch aus der eigenen Familie verübt wird. Der beste Schutz ist frühzeitige Aufklärung. Es gibt gute Aufklärungsliteratur wie zum Beispiel "101 echte Kinderfragen rund um ein aufregendes Thema" oder auch Einrichtungen, wie zum Beispiel "pro familia", die Aufklärungsangebote für den schulischen Kontext anbieten.

Gibt es auch Fortbildungen dazu?

Fundierte wissenschaftlich evaluierte Informationen für Lehrkräfte und Schulen zu diesem Thema gibt es beim Internetportal der ALP Dillingen, angefangen von Präventionsprogrammen, Hinweisen zur Erstellung von Schutzkonzepten bis hin zu ganz konkreten regionalen und überregionalen Hilfsangeboten. Neu ist zum Beispiel die Website www.was-ist-los-mit-jaron.de. Das ist ein Angebot vom unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) und bietet speziell für Lehrpersonal einen kostenlosen und anonymen Online-Grundkurs zum Schutz von Schülerinnen und Schülern vor sexuellem Missbrauch an.



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