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Warum mehr als 80 Prozent der Lehrkräfte in Bayern früher in Pension gehen müssen

BLLV-Dienstrechts-Experte Hans Rottbauer erläutert anlässlich der Landtagsanfrage der SPD, wie es um die Ruhestandsversetzungen bei Lehrkräften an den bayerischen Schulen steht.

Regelmäßig darf das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus dem bayerischen Landtag auf Anfrage berichten, wie es um die Ruhestandsversetzungen der Lehrerinnen und Lehrer an Bayerns Schulen bestellt ist. Mit der gleichen Regelmäßigkeit werden dann auch die Zahlen der Lehrkräfte, die vorzeitig in den Ruhestand gehen müssen, immer dramatischer. So waren es im Schuljahr 2022/23 nur mehr rund 18 Prozent der Lehrkräfte, die den regulären Ruhestand erreichten. 82 Prozent hingegen gingen entweder auf Antrag früher in den Ruhestand oder beendeten ihren Dienst als vom Amtsarzt aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig erklärte Lehrkräfte. Zum Vergleich waren es im Schuljahr 2013/14 noch 61 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer, die bis zum regulären Ruhestandseintritt im Dienst waren.

Zahlen sind dramatisch - besonders an Grund- und Mittelschulen

Eine besondere Dramatik bei den nun vorgelegten Zahlen ist im Bereich der Grund- und Mittelschulen zu erkennen. Hier sind es mittlerweile sogar nur noch 15 Prozent, die den regulären Ruhestand erreichen konnten. Im Gegenzug bedeutet dies, dass 85 Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer an den bayerischen Grund- und Mittelschulen ihren Dienst vorzeitig quittieren müssen. Ja, sie müssen, weil sie sich einfach nicht mehr in der Lage sehen, bis zum regulären Ruhestand durchzuhalten. Für das frühere Ausscheiden aus dem Dienst nehmen sie dann auch noch finanzielle Einbußen in der Altersversorgung in Kauf.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Warum ist das so? Es ist relativ einfach zu erklären. Der Lehrerberuf, über alle Schularten hinweg, wird immer herausfordernder. Die Gesellschaft gibt immer mehr Probleme, die sie selbst nicht mehr bewältigen kann oder mag, an die Schulen ab. Die Lehrerinnen und Lehrer werden es dann schon richten. Aber bei denen ist inzwischen die Belastungs- und Schmerzgrenze überschritten. Alle wissenschaftlichen Untersuchungen über die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte belegen eindeutig und überdeutlich, dass die Belastung zur Überlastung geworden ist. Die Lehrkräfte können einfach nicht mehr.

Zwangsmaßnahmen wie das Piazolo-Paket Ursache des Problems

Besonders sichtbar wird dies dann an den Grund- und Mittelschulen, wo zusätzlich zu den schon vorhandenen Belastungen 2020 unter Kultusminister Piazolo auch noch Notmaßnahmen zur Sicherung der Unterrichtsversorgung eingeführt wurden. So wurden die Möglichkeiten bei der Teilzeit enorm eingeschränkt, das Alter für den Antragsruhestand erhöht, Sabbat- und Freistellungsmöglichkeiten gestrichen und an den Grundschulen noch dazu ein Arbeitszeitkonto eingeführt, das vor allem den Lehrermangel an den Mittelschulen abfedern sollte. Für ein Arbeitszeitkonto an den Mittelschulen war die Lehrerversorgung schon damals zu katastrophal – man hätte ein angespartes Arbeitszeitkonto den Lehrkräften an den Mittelschulen gar nicht mehr zurückgeben können.

Nur noch 15 Prozent der Lehrkräfte können regulären Ruhestand erreichen

Was war das Ergebnis? Es ist so gekommen, wie wir es gebetsmühlenartig vorausgesagt haben. Die Lehrerinnen und Lehrer können nicht mehr. Die oben angeführten Zahlen belegen dies überdeutlich. Die Belastungen, gerade für die älteren Kolleginnen und Kollegen, sind nicht mehr zu schaffen. Nur mehr 15 Prozent der Kolleginnen und Kollegen können den regulären Ruhestand erreichen.

Man müsste also jetzt von Seiten der Politik endlich einmal nachdenken, wie man es schaffen kann, möglichst viele Lehrerinnen und Lehrer mit Arbeitsbedingungen auszustatten, die ein gesundes Erreichen des regulären Ruhestandes möglich machen. Zwangsmaßnahmen wie beim Piazolopaket können das nicht sein, denn jede Lehrkraft, die auch vielleicht nur in Teilzeit arbeitet, ist für die Schulen besser, als die Lehrkraft, die wegen Dienstunfähigkeit 10 Jahre oder früher komplett aus dem Dienst aussteigen muss.

Politik muss verantwortungsvolle Lösungen finden, statt auf Druck zu setzen

Hier Lösungen zu finden, wäre dringende Aufgabe der politisch Verantwortlichen. Was machen diese aber? Sie setzen weiterhin auf Druck. Statt einer Rücknahme des unseligen Piazolo-Paketes werden weitere Teilzeitbeschränkungen diskutiert und die Lehrerinnen und Lehrer weiterhin mit neuen Aufgaben an den Schulen belastet. Dabei bräuchten wir gerade in der Situation eines in diesem Umfang noch nie da gewesenen Lehrermangels endlich eine verantwortungsvolle Politik. Ein sinnvolles Reagieren auf die tatsächliche Situation, ein Anerkennen der wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse zur Belastungssituation der Lehrerinnen und Lehrer. Verantwortung statt Populismus – das ist es was wir jetzt brauchen.
Aber leider sehen wir noch keine Zeichen, dass die politisch Verantwortlichen ihr Agieren dahingehend auch nur ansatzweise überdenken würden. Und so wird auch im nächsten Jahr die Anfrage im bayerischen Landtag zu den Ruhestandsversetzungen der Lehrerinnen und Lehrer in Bayern keine wirkliche Veränderung zum Positiven zeigen. Leider.



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