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Spracherwerb im Kindesalter

In dem Konferenzband zeigen zwölf Expertinnen und Experten auf dem Gebiet des frühen Fremdsprachenerwerbs und weitere Spezialistinnen und Spezialisten verschiedener Fachbereiche Möglichkeiten und empirische Belege auf.

"Language Education and Acquisition Research. Focusing Early Language Learning" von Heiner Böttger / Julia Festman / Tanja Müller (Hrsg.) (Klinkhardt, 307 Seiten, kartoniert, 24,90 EUR oder als eBook, 18,90 EUR)

Die Publikation ist eine Zusammenfassung der LEAR-Konferenz aus dem Jahr 2019, die an Böttgers Lab an der Uni Eichstätt stattfand. Sie behandelt den Spracherwerb im Kindesalter, der immer wieder Grund für Missverständnisse ist. Schön wäre es, wenn dem nicht so sein würde. Einwendungen gegen frühes Fremdsprachenlernen gab es in Wellen immer wieder. Das hier rezensierte Buch möchte helfen, Mythen und Meinungsverschiedenheiten aufzuklären.

Eindrucksvoll das Plädoyer von Prof. Dr. Carl Hahn für eine moderne, also andere frühkindliche Bildung als Einführung: Kritisch, provokativ, innovativ, kreativ, erfrischend argumentierend zieht er gegen falsche Ansätze und deren Verteidiger sowie Kultusbürokratie und Kommunen zu Felde. Allein das zu lesen macht den Erwerb des Bandes lohnenswert. Aber es gibt ja noch viel Grundlegenderes, das "forschungsstarke Expertinnen und Experten" (Böttger) zur Diskussion beitragen und empirisch untermauern und so Prof. Hahns Richtung unterstützen. Das tut übrigens auch der Ökonom Norbert Marx in seinem abschließenden Beitrag und Kommentar zu dessen bildungspolitischer Utopie, der man viel Beachtung wünscht.

Erkenntnisse zum bilingualen Sprachenerwerb erläutert Julia Festmann und ermuntert so zur Zwei- und Mehrsprachigkeit, was in der gegenwärtigen Diskussion mit anderen Augen gesehen wird als noch vor Jahrzehnten. Das bayerische Schulprojekt "Lernen in zwei Sprachen – Bilinguale Grundschule Englisch" geht diesen Weg. Tanja Müller beschreibt die Ergebnisse und den Erfolg der Maßnahme, die hoffentlich Zeichen setzt und Neuerungen in Bewegung setzen wird.

Das wünscht man auch dem Projekt mit Französisch in der Grundschule, das von dem Team mit Prof. Piske beschrieben wird. In beiden Sprachlernversuchen spielen hinsichtlich eines längerfristigen Erfolgs die Anschlussmöglichkeiten eine große Rolle. Hier werden hohe Anforderungen an Ministerien und aufnehmende Schularten gestellt. Diese Aufgabe wird in zwei Beiträgen (Porsch/Wilden und Brunsmeier) thematisiert und in einem empfehlenswerten Beitrag von Ottfried Börner unterfüttert. Ihre Ausführungen liefern viele Argumente für das frühe Fremdsprachenlernen.

Auch die weiteren Beiträge des Buches liefern gewinnbringend anregende praxisbezogene Beispiele.

Fazit: unbedingt empfehlenswert.

>> Eine Rezension von Jochen Vatter, ehem. Leiter der FG Fremdsprachen im BLLV