Rektor Philipp Arnold, Experte für digitales Lernen
Philipp Arnold, Rektor der Mittelschule Ebern, hat zusammen mit seinem Kollegium vor zehn Jahre begonnen, digitales Lernen einzuführen
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Praxisbeispiel

DIGITALE SCHULE - Lernen mit digitalen Medien ist in der Mittelschule Ebern ein alter Hut. Vor zehn Jahren hat sich die Schule auf den Weg gemacht. Mittlerweile sind dort PC und Tablet aus dem Unterricht nicht mehr wegzudenken. Ein Praxisbericht.

Der unterfränkische Landkreis Haßberge ist ein typischer strukturschwacher Raum. Er liegt abseits der großen Zentren an der Grenze zu Thüringen, seit Jahren schwinden die Einwohnerzahlen. In diesem Umfeld hat sich eine kleine Schule zu einem Leuchtturm in der bayerischen Schullandschaft gemausert. Die Mittelschule der Kleinstadt Ebern zeigt, wie Unterricht mit digitalen Medien funktionieren kann. Bei der BLLV-Fachanhörung „Digitalisierung und Schule: Kooperation mit Hilfe digitaler Medien“ stellten Rektor Philipp Arnold und Konrektor Toni Binder das Konzept der Schule vor.

Umfassende IT-Infrastruktur: Alle Schüler lernen mit PC oder Tablet
Die Mittelschule hatte sich auf den Weg ins digitale Zeitalter gemacht, als das noch gar kein Thema war. Vor zehn Jahren begann die Schule mit Unterstützung der Stadt die nötige Infrastruktur aufzubauen. Computerraum und Netzwerk wurden eingerichtet. Im Lauf der Jahre kamen weitere, aufgrund knappen Budgets großen Teils gebrauchte Rechner dazu.

Heute verfügt die Schule über 3 PC-Räume mit 60 Desktop-Rechnern, Whiteboards unterschiedlichen Alters in jedem Klassenzimmer, 26 i-Pads zum Ausleihen, W-LAN und einen Server für den Austausch von Unterrichtsmaterialien. Zusätzlich können sich Schüler mit ihren Smartphones in das W-LAN über ein Ticketsystem einwählen und so das Mobiltelefon zum Lernen nutzen. Das ermöglicht es auch wirklich jedem der 254 Schüler mit digitalen Hilfsmitteln zu Lernen.

Die technische Infrastruktur allein macht aber noch keinen modernen Unterricht. Das betont Arnold an diesem Nachmittag immer wieder. „Es gibt keinen digitalen Unterricht, sondern nur Unterricht mit digitalen Werkzeugen.“ Digitale Medien sind in Ebern kein Selbstzweck. Mit ihrer Hilfe will die Schule den Unterricht verbessern und den Kinder und Jugendlichen Medienkompetenzen vermitteln. Eine Arbeitsgruppe von Lehrkräften der Schule hat dazu umfassende Konzepte für die Integration digitaler Medien in den Schulalltag entwickelt: Den Medienentwicklungsplan und das Medienportfolio.

Medienentwicklungsplan
Der Medienentwicklungsplan beschreibt, wie die Schule digitale Medien einsetzen will und welche Voraussetzungen dazu nötig sind. Ziel ist es, sowohl Lehrkräfte als auch Schüler dazu zu befähigen digitale Medien didaktisch sinnvoll einzusetzen können. Damit will die Schule einerseits die Unterrichtsqualität heben, andererseits den Schülern ermöglichen, selbstgesteuert zu lernen und so Gelerntes zu vertiefen.

Ein wesentlicher Baustein ist die Fortbildung der Lehrkräfte. Für das aus 27 Köpfen bestehende Kollegium hat die Arbeitsgruppe Fortbildungsveranstaltungen zu Didaktik, Hard- und Software entwickelt, die mehrmals im Jahr angeboten werden. Außerdem hospitieren die Lehrkräfte regelmäßig bei Kolleginnen und Kollegen.

Fortbildungskonzept für Lehrkräfte
Alle Lehrkräfte haben Zugriff auf den Schulserver, auf dem Sie ihre Unterrichtsmaterialien hinterlegen können. Über Tablets und Whiteboards können sie vom Klassenzimmer aus darauf zugreifen. Außerdem dient der Server als Materialpool für den Austausch im Kollegium. Mittlerweile haben alle Lehrkräfte die Fortbildungen durchlaufen und setzen zumindest die Whiteboards regelmäßig ein. Für die technikaffinen unter den Pädagogen ist es dagegen längst Alltag, ihre Schüler mit Tablets, Smartphones oder PCs arbeiten zu lassen.

Medienportfolio für Schülerinnen und Schüler
Durch den Einsatz digitaler Medien beim Lernen bereitet die Schule ihre Schüler ganz nebenbei auf den Lebensalltag in einer digitalisierten Welt vor. Um das zu systematisieren, hat die Arbeitsgruppe ein sogenanntes Medienportfolio konzipiert. Es ist Teil des Medienentwicklungsplans und beschreibt, welche Kenntnisse und Kompetenzen in Sachen Medien sich ein Schüler am Ende einer jeden Jahrgangsstufe angeeignet haben soll. Verlassen die Kinder und Jugendlichen eines Tages die Schule, sollen sie Hard- und Software anwenden können und in der Lage sein, sich sicher im Internet und in sozialen Netzwerken bewegen zu können.

Dazu gehört zum Beispiel, Informationen nicht nur zu recherchieren sondern auch zu bewerten und sich vor Datenklau, Cybermobbing und anderen Rechtsverletzungen zu schützen. Für jeden Schüler gibt es eine detaillierte Liste mit Lernzielen, die im Lauf eines Schuljahrs Schritt für Schritt abgearbeitet und dokumentiert werden.

Digitale Medien sind kein Allheilmittel
Medienentwicklungsplan und Medienportfolio zeigen, wie weit fortgeschritten die Mittelschule Ebern beim Unterrichten mit digitalen Medien ist. Dennoch hält Schulleiter Philipp Arnold sie nicht für ein Allheilmittel. Vielmehr sieht er sie als Ergänzung: „Der normale Unterricht findet trotzdem statt.“

 

Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen zu Hause und in der Schule

Digitale Medien durchdringen längst das Leben von Kindern und Jugendlichen. Das zeigen die neuesten Studienergebnisse, die der Medienwissenschaftler Dr. Marc Urlen vom Deutschen Jugendinstitut bei der Fachanhörung vorstellte.

98 Prozent der deutschen Teenager zwischen zwölf und 19 Jahren bestitzen ein Smartphone, bei den Kindern zwischen sechs und elf Jahren sind es immerhin schon 43 Prozent. 87 Prozent der 12- bis 19-Jährigen haben Zugang zum Internet (Quelle: KIM-Studie 2016). Sie verbringen täglich 221 Minuten mit Online-Medien. Ihr gesamter Medienkonsum beträgt rund acht Stunden am Tag (Quelle: JIM-Studie 2017).

Digitale Medien sind dagegen in der Schule längst noch nicht Alltag.  Fast jeder zweite Schüler ab 12 Jahren gibt laut JIM-Studie 2017 an, dass das Internet im Unterricht nie oder maximal einmal im Monat genutzt wird. Bei nicht einmal jedem dritten Schüler wird mehrmals die Woche mit einem Whiteboard im Unterricht gearbeitet. Regelmäßigen Einsatz eines PCs im Unterricht erlebt nur jeder fünfte Schüler.

Für Urlen ist es daher keine Frage, dass sich die Schule deutlich mehr als bisher mit der Digitalisierung und ihren Auswirkungen beschäftigen muss. Zum einen, um Kinder und Jugendlichen  Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln. Zum anderen um Unterricht damit zu gestalten. Dazu müssen aus Urlers Sicht aber noch viele Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden. Viele Softwarelösungen seien pädagogisch nicht durchdacht, es mangele den Schulen an technisch ausgereiften Lösungen. Vor allem aber bräuchte es gute didaktische Konzepte.



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