Rund fünf Jahre nach der Ratifizierung der UN-Konvention zur Inklusion an Schulen sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung noch immer mangelhaft - auch an Bayerns Schulen. Im Freistaat leben derzeit etwa 70.000 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. „Nicht alle sollen und müssen die Regelschule besuchen, aber für die, die es möchten, muss es gute Bedingungen geben“, erklärte die Präsidentin des BLLV, Simone Fleischmann, anlässlich des „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung“ am 3. Dezember. Gute Bedingungen bräuchten vor allem auch die Schulen, in denen Kinder mit Behinderungen unterrichtet werden sollen. „Leider sind Lehrkräfte oft in der Situation, betroffene Mädchen und Jungen in Regelklassen zu integrieren, ohne entsprechende personelle Unterstützung und ohne entsprechende fachliche Ausbildung. Noch immer fehlt es an Personal, Geld und Zeit.“ Daher sei auch die Einstellung vieler Lehrkräfte zur Inklusion in Bayern durchwachsen: „Die meisten sprechen sich zwar für eine Umsetzung aus und versuchen sie mit großem Engagement zu realisieren, gleichzeitig fühlen sie sich aber mit der Aufgabe allein gelassen. Sie prangern an, dass erfolgreiche Inklusion ohne angemessene Rahmenbedingungen nicht möglich ist“, sagte Fleischmann.
Am 3. Dezember soll daran erinnert werden, dass die Würde, die persönlichen Rechte und das persönliche Wohlergehen jeden Menschen betreffen - auch Menschen mit Handicaps. „Ich bin überzeugt davon, dass dieses Ansinnen die meisten Menschen teilen. Lehrerinnen und Lehrer versuchen ihr Bestes, um Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf erfolgreich in die Klasse zu integrieren“, sagte Fleischmann. Sie wüssten, und das werde von zahlreichen Studien belegt, dass in kooperativen Klassen alle Kinder profitieren und der Lernerfolg immens ist. „Das Gelingen hängt aber nicht nur von ihrem Engagement ab, sondern vor allem auch von den Rahmenbedingungen - und die lassen immer noch zu wünschen übrig.“
Gelungene Inklusion erfordere es, die unterschiedlichen Voraussetzungen der jeweiligen Kinder zu berücksichtigen und entsprechend zu unterstützen. „Die Schulen müssen daher personell, finanziell und räumlich angemessen ausgestattet werden“, verlangte Fleischmann. Das gelte vor allem auch für die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste und die Mobilen Sonderpädagogischen Hilfen. Die vorhandenen Lehrerstunden reichten nicht aus. Weil viele Eltern eine inklusive Beschulung ihres Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Sprengelschule bzw. der Allgemeinen Schule wünschten - sei es in Form einer Kooperations- oder Partnerklasse oder in Form der Einzelinklusion - müsse weiteres Fachpersonal zur Verfügung gestellt werden. Nötig seien u.a. auch qualifizierte Heilpädagogische Förderlehrer und Pflegekräfte zur Einzelintegration, mehr Schulsozialarbeiter und externe Experten. „Durch den Einsatz von multiprofessionellen Teams an den Schulen kann es gelingen, eine Inklusion, die allen Kindern und Jugendlichen gerecht wird, umzusetzen“, ist Fleischmann überzeugt.
Das Thema Inklusion gehöre auch erheblich stärker als bisher in die Lehrerbildung integriert, so die BLLV-Präsidentin. „Um die Ziele der Inklusion umsetzen zu können, braucht es Lehrerinnen und Lehrer, denen es gelingt, das Lerngeschehen im Unterricht für möglichst viele Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichem Vorwissen, unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und unterschiedlich verlaufenden Lernprozessen erfolgreich zu gestalten.“
Zentral sei zudem die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Eltern: „Das Ziel sollte die Zufriedenheit und die angemessene Förderung der Kinder und Jugendlichen sein.“ Dazu benötige es jedoch den Ausbau aller Schulberatungsdienste, ein niederschwelliges Beratungsangebot für Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an sonderpädagogischen Einrichtungen sowie eine Stärkung des Elternwahlrechts. „Eltern und Kinder brauchen Unterstützung bei der Schulwahl“. Es sei daher wichtig, dass ein Gremium aus Schule, Schulverwaltung, Jugendhilfe und Eltern gemeinsam die Fördermöglichkeiten beraten. „Die letzte Verantwortung tragen jedoch die Eltern.“
Die BLLV-Präsidentin sprach sich auch in diesem Kontext für einen modernen Lern- und Leistungsbegriff aus: „Schule sollte vom Kind aus denken und das Entwicklungspotenzial eines jeden einzelnen Schülers in den Mittelpunkt stellen. Nur so können individuelle Fördermöglichkeiten angeboten und die bestmögliche Entwicklung der Schüler/innen erreicht werden.“ Dazu gehöre es auch, den „Sortierauftrag“ kritisch zu hinterfragen und längeres gemeinsames Lernen zu zulassen.
Andrea Schwarz, BLLV-Pressereferentin M.A. Tel: 089/ 72 100 129, presse (at) bllv.de