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G9 braucht Kultur des „slow learning“

BLLV-Präsident Klaus Wenzel bewertet den Weg zum G9 positiv, mahnt aber eine Neuausrichtung des Lernens an: „Schüler und Lehrer brauchen Entschleunigung“

München - „Das Konzept des Bayerischen Philologenverbandes zum G9 greift zu kurz und lässt nach Einschätzung des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) viele Fragen offen. Grundsätzlich begrüßte BLLV-Präsident Klaus Wenzel aber den Vorstoß und die Bereitschaft für Veränderungen. Den Weg zum G9 bewertete er heute, einen Tag nach der Präsentation des Konzeptes, positiv. „Auf diesem Weg muss jedoch das Lernen am Gymnasium den veränderten Anforderungen unserer Gesellschaft angepasst werden.“ Bislang sei noch unklar, wie die dringend erforderliche Neuausrichtung auf einen anspruchsvollen Lern- und Leistungsbegriff aussehen soll. Ziel müsse es sein, Bildung auf gymnasialem Niveau durch Reflexion, Analyse und Vertiefung zu ermöglichen. Dazu, so Wenzel, bräuchten wir aber eine Kultur des „slow learning“, also eine Schulkultur, die Heranwachsende und Lehrkräfte entschleunigt und ausreichend Zeit für Lernprozesse gibt. 

 

Mit der Idee, den Lehrplan in der Mittelstufe zu entzerren, greift der Philologenverband auf eine Forderung des BLLV zurück. „Diese Idee muss aber auch konsequent umgesetzt werden und bedeutet nicht nur ein Strecken des Lehrplanes, sondern auch eine Kürzung der Lehrplaninhalte und eine Überarbeitung der Stundentafel, um die hohe Anzahl verschiedener Fächer in einer Jahrgangsstufe und die Flut an Prüfungen zu reduzieren“, betonte Wenzel. Lediglich den Stoff der Mittelstufe zu strecken und das zehnte Schuljahr zum Überspringen freizugeben, ermögliche noch keine Neuausrichtung des gesamten Gymnasiums auf nachhaltiges und verständnisorientiertes Lernen.

Neben der Mittelstufe bedürften auch Unter- und Oberstufe dringend einer Reform. „Angesichts des hohen Drucks, den Schüler und auch Lehrer sowohl in der Unterstufe als auch in der Qualifikationsphase ausgesetzt sind, ist nicht nachvollziehbar, warum der Philologenverband beide Bereiche ausklammern will“, sagte Wenzel. Stunden- und Prüfungsbelastung in der Qualifikationsphase seien enorm. Der BLLV-Präsident schlug vor, für die Oberstufe die Rückkehr zum Kurssystem, ggf. auch zum Vier-Fächer-Abitur zu prüfen.

In der Unterstufe müsste der Lehrplan dringend altersgerecht ausgerichtet werden. Wenzel regte an, den neu zu erstellenden LehrplanPlus für das Gymnasium konsequent nach einen modernem Lernbegriff auszurichten und gleichzeitig mit dem G9 einzuführen, damit ein Konzept aus einem Guss ermöglicht werde. Andernfalls käme es bei der späteren Einführung des neuen Lehrplanes zu erneuter Unruhe, was weder den Lehrern noch den Schülern zuzumuten sei: „Das Gymnasium darf nicht zu einer Dauerbaustelle werden.“

Wenzel hält den ins Spiel gebrachten „Gymnasialkonvent“ für einen konstruktiven Vorschlag - „aber nur, wenn er tatsächlich breit angelegt ist.“ Die Akteure müssten auch bereit sein, die Impulse von Lehrern und Schülern aufzugreifen. „Von einem Dauerstreit und einer Dauerbaustelle profitiert keiner.“