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Erfolgreiche Inklusion erfordert beste Ausstattung

Die Schulen werden bei der Umsetzung der UN-Konvention nach wie vor im Stich gelassen - das sorgt für zahlreiche Konflikte / BLLV-Präsident verlangt umgehend Abhilfe

München - Inklusion wird für immer mehr Schulen zum Belastungsfaktor. Beim Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) mehren sich Fälle von Lehrkräften, die sich überfordert fühlen oder ihre Sorge darüber äußern, bei den gegebenen Voraussetzungen weder dem behinderten Kind noch den anderen Mitschülern gerecht werden zu können. „Wie brisant das Thema ist, zeigen die in unserer Rechtsabteilung aufschlagenden Fälle“, sagte BLLV-Präsident Klaus Wenzel anlässlich des Inklusionsgipfels der UNESCO, der morgen und übermorgen in Bonn stattfindet. Wenzel warf der Staatsregierung vor, Eltern, Kinder und Lehrer im Stich zu lassen. „Gelungene Inklusion steht und fällt mit einer vernünftigen Ausstattung. Es ist nicht  mit einer Unterschrift unter eine UN-Konvention getan, erforderlich sind vielmehr konkrete Taten." Es genüge auch nicht, wenn in Bayern fraktionsübergreifend eine gesetzliche Grundlage geschaffen werde, ohne dabei die Gegebenheiten an den Schulen zu bedenken. Versäumt worden sei auch, mit allen Beteiligten zu kommunizieren, um Ängste von Eltern und Lehrkräften abzubauen. Weil schulisches Arbeiten in einem inklusiven System gelernt sein will, müsse vor allem auch die Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer gestärkt und Inklusion in der Lehrerbildung eine zentrale Rolle spielen. Schließlich müssten ausreichend finanzielle Mittel bereitgestellt werden. „Helfende und hilfreiche Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif.“ 

 

Was von den Schulen, insbesondere den Grundschulen, verlangt werde, sei nicht mehr vertretbar, kritisierte Wenzel. Er wolle aber nicht missverstanden werden, denn die Argumente, die betroffene Eltern dazu bewegten, ihr Kind auf einer Regelschule unterzubringen, seien legitim und nachvollziehbar. Nicht akzeptierbar sei aber, dass die Politik die Schulen zwinge, diese Kinder an den Regelschulen zu integrieren, obwohl sie dafür weder personell, finanziell, noch räumlich ausgestattet seien. Derzeit gehe die Umsetzung der Inklusion zu Lasten der Schüler und Lehrer - und zu Lasten betroffener Familien. Das dürfe nicht dauerhaft so bleiben.

Die Situation sei für alle Beteiligten äußerst schwierig, erklärte der Leiter der BLLV-Rechtsabteilung, Hans Peter Etter. „Weil die Staatsregierung alle Betroffenen allein lässt, häufen sich die Konflikte: Eltern haben den verständlichen Wunsch, dass ihr behindertes Kind optimale Förderung bekommt und viele sehen den Weg dorthin im Besuch einer Regelschule. Lehrerinnen und Lehrer haben die berechtigte Sorge, dass sie angesichts der ohnehin schon mangelhaften Ausstattung ihrer Schulen, den Unterrichtsausfällen und dem Lehrermangel, den Anforderungen, die ein behindertes Kind an sie stellt, nicht gerecht werden können.“ Hinzu komme, dass vielen die Erfahrung oder eine professionelle Vorbereitung fehlen würde, so Etter. „Behinderte Schüler spüren die angespannte Atmosphäre und leiden - nicht behinderte Schüler sind verunsichert und verlieren ihre Unbedarftheit, die im Miteinander so wichtig wäre.“

„Die Situation ist für alle Beteiligten sehr schwierig“, sagte Etter. Er sitze zwischen allen Stühlen, könne Eltern verstehen, aber natürlich auch Lehrkräfte, die sich in verzweifelten Briefen und Mails an ihn wenden und um Hilfe bitten würden. „Die Dimension der Problematik ist manchmal erschütternd. Uns sind Fälle bekannt, wo in Regelklassen mehrere stark behinderte Kinder inkludiert werden und die Lehrkraft nach kurzer Zeit am Ende ihrer Kräfte ist, weil sie die Belastung unter den aktuellen Voraussetzungen gar nicht bewältigen kann“, schilderte Etter. So werde Inklusion zu einem Belastungsfaktor, der nicht mehr zu vertreten sei. Der Dienstherr habe ja auch Lehrkräften gegenüber eine Fürsorgeverpflichtung - „in vielen Fällen ist die nicht mehr erfüllt.“  

Der Handlungsbedarf sei groß, sagte Wenzel. Er forderte die Staatsregierung auf, umgehend zu reagieren. Der BLLV-Präsident fühlt sich bei seinen Forderungen von Umfrageergebnissen bestätigt: So hatten sich 71% aller Befragten einer im Herbst 2013 durchgeführten Umfrage des Instituts dimap zum Thema „Gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Beeinträchtigung“ für die Umsetzung der Inklusion ausgesprochen. An der Umfrage beteiligten sich 1500 wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger. Knapp 80% sprachen sich dafür aus, den schulischen Inklusionsprozess konsequenter und intensiver zu unterstützen.

Bei Nachfragen können Sie sich auch an den Leiter der BLLV-Rechtsabteilung Hans-Peter Etter wenden, mobil erreichbar unter: 0172/ 866 89 35