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Quereinsteiger Arbeitsbelastung

Sondermaßnahme – Qualitativ hochwertiger Quereinstieg

Positives Signal: Zahl der Interessenten für den Quereinstieg an Mittelschulen steigt. Aus Sicht des BLLV müssen aber auch wieder mehr grundständig ausgebildete Lehrkräfte gewonnen werden. Quereinstieg versus Entfristungsmaßnahme sind differenziert zu bewerten

Aufgrund des weiterhin sehr hohen Personalbedarfs an den Mittelschulen und der Situation, dass nicht genug Studierende für das Lehramt an Mittelschulen gewonnen werden können, ergreift das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus weiterhin verschiedene Personalgewinnungsprogramme. Die Begrifflichkeiten werden allerdings beim Thema „Quereinstieg“ immer wieder durcheinandergebracht. Dabei ist zum einen von der Sondermaßnahme 6 und zum anderen von Entfristungsmaßnahmen die Rede (siehe Erklärung am Artikelende).

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) achtet bei beiden Programmen sehr auf die Qualität der Qualifizierung und möchte keinen „billigen“ Weg zum Lehramt Mittelschulen. Die Umsetzungsgrundlage für alle Qualifizierungsmaßnahmen muss dabei die bestehende universitäre Lehrerbildung sein.

Überzeugte neue Kolleginnen und Kollegen

Bei der Sondermaßnahme 6 nach Art. 22 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Lehrerbildungsgesetz (BayLBG) ist dem KM etwas Gutes gelungen. „Wir bekommen hier sehr motivierte und engagierte Kolleginnen und Kollegen“, analysiert Gerd Nitschke, 1. Vizepräsident des BLLV. Die betroffenen Personen kommen mit einem erfolgreich absolvierten Studium (Master, Diplom, Magister), das im Hauptfach mit der Gesamtnote 3,50 oder besser abgeschlossen wurde. Dieses studierte und geprüfte Hauptfach wird als Unterrichtsfach in die Ausbildung eingebracht. Ein Praktikum im Vorfeld der Maßnahme soll einen Einblick geben und die getroffene Entscheidung zu untermauern helfen. Danach wird ein zweijähriges, komplettes Referendariat durch erfahrene Seminarlehrkräfte durchgeführt. Als weitere Qualifizierung erhalten sie ergänzende Angebote, insbesondere im Bereich der Erziehungswissenschaften (Allgemeine Pädagogik, Schulpädagogik, Psychologie), die aus dem fehlenden Studium resultieren und sie in Ihrer schulartspezifischen Ausbildung zusätzlich unterstützen.

„Wer sich das antut, der macht dies aus Überzeugung! Und solche Kolleginnen und Kollegen benötigen wir dringend in der Mittelschule.“ Denn klar ist: Neben der Zeit und dem Lernaufwand kostet den neuen Kolleginnen und Kollegen diese Sondermaßnahme richtig Geld. Während des Referendariats bekommen sie, die teilweise ja ihren bestehenden unbefristeten Beruf aufgeben und Familien zu versorgen haben, auch nur Anwärterbezüge

Entfristung: BLLV schaut genau hin!

Bei den Entfristungsmaßnahmen nimmt der BLLV eine kritischere Position ein. Die Grundvoraussetzung Universitätsabschluss (Master, Magister, Diplom oder vergleichbar) oder Hochschulabschluss (Master, Diplom oder vergleichbar) sind der richtige Weg. Der „Schnellkurs“ kann nicht die Lösung sein:

  • drei Präsenzveranstaltungen (Grundlagen des Klassenlehrerprinzips, Schulrecht und Dienstrecht, Classroom-Management; von der Jahresplanung zur Unterrichtsstunde, Leistungserhebungen, Berufsorientierung; Erziehungsschwierigkeiten, Lernvoraussetzungen, Dokumentation),
  • zwei Online-Veranstaltungen (Tandem aus Lehrkraft und Seminarleitung): Digitale Analyse und Reflexion von Unterricht mit zu bearbeitenden Arbeitsaufträgen,
  • 14-tägige Online-Treffen zur Beratung durch die Regierung und
  • zwei Unterrichtsbesuche durch Schulleitung und ein Unterrichtsbesuch durch die Schulaufsicht jeweils mit ausführlicher Nachbesprechung und Reflexion

Im Moment sind diese Kolleginnen und Kollegen „Aushilfsnehmer (unterrichtliche Tätigkeit)“. „Lehrkraft an Mittelschulen darf man auf diesem Wege nicht werden“, sagt Gerd Nitschke. Das angedachte Traineeprogramm im Anschluss an die Entfristung von Verträgen steht noch nicht. Damit soll diese Gruppe dann aber die Lehrbefähigung für die Mittelschule bekommen. „Mit uns geht es hier nur über den Weg der Qualität. Da werden wir genau hinschauen und auch hier auf Qualität und universitäre Lehrerbildung schauen“, stellt Nitschke dazu klar.

Die Grundposition des BLLV zusammengefasst:

  • Der BLLV hält daran fest, dass es vor allem darum gehen muss, wieder mehr grundständig ausgebildete Lehrkräfte zu gewinnen – z. B. durch nachhaltige und umfassende Steigerung der Attraktivität des Berufs der Mittelschullehrkraft, sofortige Rücknahme der Notmaßnahmen, sowie eine Umgestaltung und Flexibilisierung der ersten Phase der Lehrkräfteausbildung.
     
  • Quereinsteiger der Sondermaßnahme 6 sind herzlich willkommen. Verschiedene Verbesserungsvorschläge – siehe unten -werden in die Diskussion mit dem KM eingebracht.
     
  • Die Entfristungs- und Qualifizierungsmaßnahme wird sehr kritisch begleitet. Qualität muss auch hier an erster Stelle stehen.

 

Kommentar von Hans Rottbauer, Leiter der Abteilung Dienstrecht und Besoldung im BLLV

Gruppe 1: Sondermaßnahme 6

Hierbei handelt es sich um Diplom- oder Masterabsolventen, die freiwillig ein zweijähriges Referendariat mit Zusatzangeboten absolvieren, meistens schon Berufserfahrung im Ursprungsberuf mitbringen, lebensälter sind und sich trotzdem einer pädagogischen Ausbildung mit Anwärterbezüge unterwerfen. Natürlich fehlt das pädagogische Studium, aber trotzdem ist hier eine zweijährige pädagogische Ausbildung im Referendariat dabei. Die Erfahrungen mit dieser Gruppe zeigen, dass es sich hier in der Regel um sehr motivierte Bewerber handelt, die aufgrund ihrer Lebens- und Berufserfahrung durchaus das fehlende pädagogische Studium ausgleichen können. Vom Umfang her sind dies im nächsten Schuljahr voraussichtlich ca. 330 Bewerber.

Gruppe 2: Entfristungen

Hierbei handelt es sich um Diplom- oder Masterabsolventen, die sich im Einsatz als Substitutionskräfte, Aushilfskräfte, Teamlehrkräfte usw. bewährt haben und nach einer zweijährigen Bewährungszeit und einer pädagogischen „Notausbildung“ in Form von drei Präsenzveranstaltungen, zwei Onlineveranstaltungen und 14-tägigen Videocoachings entfristet und in die Tätigkeit einer Lehrkraft ohne Lehramtsbefähigung kommen. In einem anschließenden Traineeprogramm, dessen Rahmenbedingungen noch nicht feststehen, können besonders bewährte entfristete Kräfte dann auch die Lehramtsbefähigung erwerben und damit den vollen Rang einer Mittelschullehrkraft erhalten. Nach Ansicht des BLLV ist diese Gruppe deutlich kritischer zu sehen, als die Gruppe 1. Hier haben wir eine pädagogische Notausbildung, die eigentlich bei jedem gemacht werden müsste, den wir auf die Kinder loslassen und zwar vor Antritt als Aushilfslehrkraft. Aber von einer tatsächlichen pädagogischen Qualifikation kann man hier unserer Meinung nach nicht sprechen. Für das nächste Schuljahr sprechen wir hier von 52 Bewerbern bayernweit, die die Entfristung machen wollen.

Verbesserungsvorschläge zur Sondermaßnahme 6:

Zusätzliche Beratungs-Kapazitäten beim Ministerium für Interessenten & serviceorientiertere Beratung ausbauen bzw. Beratungsqualität verbessern.

  • Frühere definitive Zusage! Ende Mai folgt eine „in etwa, wenn tatsächlich alle Voraussetzungen erfüllt sind“-Zusage. Das ist zu unverbindlich. Auf dieser Grundlage werden teilweise unbefristete und mitunter gut dotierte Arbeitsverhältnisse mit dem Prinzip „wird schon so sein, hoffentlich“ gekündigt. Kündigungsfristen beachten.
     
  • Einige Infos aus dem Seminar bereits früh im Vorfeld zum Eigenstudium (z. B. bereits im April auf Seminarbuch hinweisen -> Möglichkeit zur Einarbeitung langfristig) zur Verfügung stellen.
     
  • Grundlagen der Entfristungsaktion müssten verbindlich für alle an Schule Tätigen erfolgen. Auch gute Grundlage für die Sondermaßnahme 6.
     
  • Die Vergütung im Referendariat muss eindeutig besser werden. Die Belastung ist für Menschen mit Familie auch ohne finanziellen Druck bereits sehr hoch.

» Informationsblatt des Kultusministeriums zur Sondermaßnahme 6
» Schaubild Entfristung
 

Medienberichte

Simone Fleischmann im Wortlaut in den BR24 Nachrichten:
(Thema ab 8:04, Zitat ab 9:33)

"Dass sich jetzt viele bewerben, ist gut. Weil sonst müssten die Kolleginnen und Kollegen Mehrarbeit leisten, zwei Klassen führen, drei Klassen in der Aula bespaßen – und das ist dann gar nicht mehr das, was wir uns unter unserem Lehrerberuf vorstellen."
 


BR 24 online

Quereinsteiger gegen den Lehrermangel - ist das die Lösung?

BR24 online berichtet über die zunehmende Zahl von Quereinsteigern und nimmt den Hinweis von BLLV-Präsidentin Fleischmann auf, dass die Qualifikation dabei von entscheidender Bedeutung ist. ... weiterlesen

Simone Fleischmann im Wortlaut bei BR 24 online:

„Dass sich so viele Quereinsteiger für die Mittelschulen bewerben, zeigt ja, dass es hinten und vorne an Lehrkräften fehlt. Die zentrale Frage ist, wie man in der kurzen Zeit Quereinsteigern die nötigen Qualifikationen beibringen kann.“
 


Simone Fleischmann zum Streit um die genaue Zahl fehlender Lehrkräfte:

"Die Zahlenschlacht, die mitunter betrieben wird, ist müßig. Fakt ist: Wir in den Schulen merken, dass wir den Kindern in ihrem Bildungsanspruch und in ihrem Erziehungsanspruch nicht mehr gerecht werden – und das ist die eigentliche Benchmark."

Gerd Nitschke zu Quereinsteigern nach Sondermaßnahme 6:

"Wer sich das antut, der macht dies aus Überzeugung. Und solche Kolleginnen und Kollegen benötigen wir dringend in der Mittelschule."

Nitschke zur Nachqualifizierung von Hilfskräften:

"Lehrkraft an Mittelschulen darf man auf diesem Wege nicht werden." Nitschke sieht Defizite in der pädagogischen Qualifikation kritisch.

Nitschke zur Feststellung, dass die Notmaßnahmen des KM kontraproduktiv sind:

"Wir gewinnen nicht mehr Stunden, sondern kranke und ausgebrannte Lehrkräfte."
 



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