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Individuelle Förderung Arbeitsbedingungen Schulstart

Das bildungspolitische "Streichkonzert" mit schmerzhaften Dissonanzen

UPDATE MIT MEDIENBERICHTEN - München – Ja, es fehlen 4.000 Lehrkräfte an den Grund-, Mittel- und Förderschulen in Bayern. Jetzt stehen nicht nur die wichtigsten pädagogischen Errungenschaften, wie die Inklusion, der Ganztag, die Integration, die individuelle Förderung und die ganzheitliche Bildung auf dem Spiel. Das bildungspolitische Streichkonzert greift auch die Kernbereiche des Unterrichts und die grundlegenden Strukturen der schulischen Bildung an. Der Appell des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), Bildung in Bayern seitens der Politik zur Chefsache zu machen, blieb ungehört. Was es jetzt richten sollte, ist einerseits ein "Fahren auf Sicht" und andererseits ein breit aufgestellter Instrumentenkasten. Der Kultusminister nennt es "bedarfssenkende Maßnahmen". Kurz vor Schulstart sehen wir: Größere Klassen, Kürzungen bei unterschiedlichen Fächern wie Musik, Kunst oder Sport, bei Förder- und Differenzierungsangeboten, bei Arbeitsgemeinschaften und vielem mehr. Das "Soll", das schon lange nicht mehr erreicht wird, ist damit jetzt auch unter das absolute "Muss" gesunken. Das bildungspolitische Streichkonzert begann schon in den Ferien: Es musste von den Regierungen, Schulämtern und Schulleitungen ungefragt orchestriert werden. Die jetzt zu erwartenden Dissonanzen sind aus Sicht des BLLV noch gar nicht final abzuschätzen. Doch eines ist klar: Spüren werden wir es – leider – alle!

Simone Fleischmann, die Präsidentin des BLLV, betont: "Es fällt Unterricht aus. Es werden Stunden gestrichen. Kinder werden eher nach Hause geschickt. Hinten und vorne reichen uns die Lehrkräfte nicht für die Regel-Angebote, geschweige denn für Angebote, die nach dieser anstrengenden Corona-Zeit dringend notwendig wären. Die Regierungen, die Schulämter und die Schulleiter vor Ort haben jetzt auf einem Minimalniveau geplant. Wir spielen nur mehr die kleine Partitur – nur mehr den einfachen Satz. Und wer sich minimale Ziele steckt, kann diese maximal gut erreichen. Aber die Realität hinter den Zahlen muss von der Staatsregierung jetzt und im Laufe des Schuljahres immer wieder ehrlich benannt werden: eine andere Möglichkeit gibt es kurzfristig leider nicht!"

Das Ensemble ist viel kleiner und "bunter" als befürchtet

In der Pressekonferenz zum Schulstart sprach das Kultusministerium von einigen hundert Vollzeitkapazitäten (VZK), also "ganzen" Lehrerstellen, die für das neue Schuljahr an Grund-, Mittel- und Förderschulen in Bayern noch nicht besetzt sind. Der Kultusminister sprach davon, dass etwa 4.500 bis 5.000 Stellen neu zu besetzen waren. Knapp über 4.000 seien schließlich auch neu besetzt worden. Rechnet man hoch, dann würde das bedeuten, dass für das Schuljahr 2022/23 knapp 1.000 VZK noch nicht besetzt sind. Der Minister bezeichnete dabei die Lage als vergleichsweise gut oder befriedigend und spricht von einer soliden Grundversorgung.

Für den BLLV ist die Note 3 hier noch viel zu gut. Bei einem genaueren Blick zeigt sich nämlich: Schon 2020/21 wurden dienstrechtliche Maßnahmen ergriffen, um 800 VZK notdürftig zu gewinnen. 2021/22 wurden rund 650 VZK durch anderes Personal ersetzt. Die bereits oben erwähnten fehlenden 1.000 Stellen in diesem Schuljahr in Grund-, Mittel- und Förderschule kommen hinzu. Zusätzlich werden im kommenden Schuljahr rund 1.500 VZK – hauptsächlich schwangere Kolleginnen und Langzeitkranke – dauerhaft fehlen.

Zählt man all das fehlende Personal zusammen, dann sind es etwa 4.000 Lehrkräfte, die uns jetzt an den Grund-, Mittel- und Förderschulen fehlen, um gute Schule mit professionell ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern gestalten zu können. So starten wir jetzt ins Schuljahr. Und die Situation wird sich im Laufe des Schuljahres weiter verschlechtern. Denn oftmals ist die mobile Reserve jetzt schon komplett aufgebraucht oder konnte erst gar nicht vollständig gebildet werden. Krankheitsausfälle wegen Corona werden noch hinzukommen und weitere Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine womöglich auch.

Medienberichte

Simone Fleischmann zu den Ausführungen im BR:

Wir kennen die Zahlen sehr genau und wir können und wollen hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Aushilfs- und Ersatzkräfte sind eben keine Profis und keine Lehrer wie die Schülerinnen und Schüler sie brauchen und verdienen. Kranke Lehrerinnen und Lehrer sind eben ganz real nicht da, um Unterricht zu machen – und die mobile Reserve ist weitestgehend aufgebraucht und wird kaum noch etwas auffangen können. Es geht genau nicht darum, dass „irgendwer“ vor der Klasse steht – auch wenn „irgendwer“ besser ist als niemand – es geht darum, wie viele „echte“ Lehrkräfte und Profis fehlen und diese Rechnung stimmt ganz genau. Wir begrüßen aber das Bekenntnis zu „A13 für alle“, denn die Lehrerinnen und Lehrer an den Grund- und Mittelschulen sind es wert. Und dafür werden wir uns einsetzen.


Das bildungspolitische Streichkonzert sah auch vor, dass neben professionell ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern auch andere Berufsgruppen an unseren Schulen arbeiten. Aktuell sind das 29 verschiedene Berufsgruppen. Der BLLV sagt klar: Wir gehen in unseren Berechnungen davon aus, dass das Ziel guter Bildung sein muss, dass alle Angebote wieder von „echten“ Profis aufgefangen beziehungsweise vorgehalten werden.

Das Streichkonzert geht auf Kosten der Schwächsten

All diese Maßnahmen gehen immer zuerst auf Kosten der Schwächsten. Das sind diejenigen, denen die Förderangebote, die Differenzierungen und die zusätzlichen individuellen Angebote so sehr fehlen. Und selbstverständlich geht es erneut auf Kosten der Lehrerinnen und Lehrer, die immer versuchen, alles irgendwie aufzufangen, Lösungen zu finden und das Unmögliche möglich zu machen. Viele haben sich mit dem bildungspolitischen Streichkonzert, das schon in den Ferien angestimmt wurde und gut zu „hören“ war, abgefunden. Sie fragen sich, wie es zu schaffen sein wird, gehen es aber erneut mit voller Kraft an.

Schmerzhaft zu spüren bekommen werden es alle. Schüler und Schülerinnen genauso wie Eltern, Lehrkräfte und auch die Gesellschaft. Kinder, die schon um 11:20 Uhr aus der Grundschule nach Hause kommen, machen die Berufstätigkeit der Eltern nur mehr eingeschränkt möglich. Von verlässlicher Halbtagsgrundschule kann da schon lange nicht mehr die Rede sein.

Ein Streichkonzert ohne Planung und ohne Perspektiven

Viele Schulen beklagten noch letzte Woche, dass die Erstellung von Stundenplänen nicht möglich war, weil die Lehrkräfte und das sonstige Personal noch nicht zugewiesen waren. Dazu Simone Fleischmann: „Ich habe in den letzten Tagen mit vielen Lehrerinnen und Lehrern gesprochen und mir die Situation überall in Bayern schildern lassen. Es werden Arbeitsgruppen, Musik-, Kunst- und Sportstunden gestrichen, individuelle Förderstunden fallen im großen Umfang aus oder wurden erst gar nicht angesetzt, Klassen vergrößert, Stunden für die Kooperation von Grundschulen mit den Kindergärten und weiterführenden Schulen Fehlanzeige. All das, was nicht mehr auf der Partitur steht, kann nicht gespielt und über Jahre auch nicht wieder aufgeholt werden. Und das, obwohl wir schon so viele Defizite in unterschiedlichsten Bereichen bei den Kindern und Jugendlichen aus den beiden Coronajahren auffangen müssen.“

Medienberichte

Simone Fleischmann kommentiert den Beitrag der Satire-Sendung "heute-show" mit folgenden Worten auf Twitter: "Die allgemeine Lehrpflicht oder mehr Wertschätzung? Ein grandioser Bericht zum Lehrermangel - auf den Punkt! Fakt: aktuell fehlen 4000 Lehrkräfte in Bayern!" 



 

Eine Partitur von schrägen Notlösungen und gravierenden Lücken

So unterschiedlich die Einschätzungen aus den verschiedenen Bezirken, Schulämtern und Schulen sind: Streichungen bestimmen jetzt das Bild der bayerischen Schulen. Dazu sind erneut mehr "Aushilfskräfte" an den Schulen tätig, die als "Nicht-Profis" ihr Bestes tun, um den Betrieb vor Ort als "vierte Geige" zu unterstützen:

  • Als sogenannte "Lehrkräfte" werden zum Beispiel eingesetzt: Bachelor Business Administration, Diplom Designer, Magister Nordische Philologie, Landschaftsarchitekt, Bachelor of Law China, Kinderpflegerin, Arzt, Lizentiat Philologie, Diplom Übersetzerin, Diplom-Physikerin, Fitness Trainerin, Sportökonom, Magister Romanische Philologie.
  • Einige Grund- und Mittelschulen mussten den Förderunterricht streichen, zahlreiche Mittelschulen den differenzierten Sportunterricht. Beides waren bisher Pflichtangebote.
  • Vorkurse und Fachunterrichte werden ganz gestrichen oder von nicht-qualifiziertem Personal gehalten.
  • Ein bayerischer Regierungsbezirk verzeichnet über 250 Nichtantritte von Lehrerinnen und Lehrern, die zwar dorthin versetzt wurden, aber jetzt darauf warten, dass sie in ihrer Wunschregion eine Anstellung bekommen oder in andere Bundesländer abwandern.
  • In einem anderen Regierungsbezirk ist von 19 Zweitqualifikanten, die Gymnasiallehramt studiert hatten, nur einer für die Mittelschule übrig geblieben, die anderen 18 haben das Einstellungsangebot am Gymnasium angenommen.
  • Differenzierter Sport an der Mittelschule und die 3. Sportstunde an der Grundschule werden mancherorts gestrichen.
  • Im Bereich der Mittelschule hat ein Schulamtsbezirk den Basissport gestrichen und den differenzierten Sportunterricht ebenso, sodass 71 Stunden gespart werden konnten.
  • An einer Schule in Bayern steht nur eine evangelische Religionslehrerin für 14 Klassen an vier Schulstandorten zur Verfügung.
  • Inzwischen arbeiten 29 verschiedene Berufsgruppen an bayerischen Schulen: vom Lehrer und Schulpsychologen über Fach- und Förderlehrer bis hin zu Substitutionskräften mit unterschiedlichster Qualifikation.
  • Klassengrößen über 25 Schülerinnen und Schüler sind in vielen Schulamtsbezirken inzwischen oftmals zur Normalität geworden. Die Gruppenstärke im Fachunterricht wird ebenso immer größer.
  • Viele Schulämter lassen das Fach Werken und Gestalten (WG) in der 1. Klasse komplett ausfallen, weil es zu wenige Fachlehrerinnen und Fachlehrer gibt. Andernorts hat man sich dazu entschieden, dass dafür nicht ausgebildete Klassenleitungen WG geben müssen.
  • Systembetreuer der Schule werden mit neuen Aufgaben betraut und sollen als Betreuer für die Geräte der Seminare eingesetzt werden. Ohne irgendeine Entlastung. Eine Mehrarbeit ohne jeglichen Ausgleich.
  • Aus einem anderen Regierungsbezirk wurde uns berichtet, dass es 68 Neueinstellungen gibt, die verbeamtet werden können und zugleich aber auch 146 befristete Vollzeit-Arbeitsverträge. Im letzten Jahr waren es nur 18 solcher Verträge. Die Relation stimmt nicht mehr.
  • Stunden für die Kooperation Kita – Grundschule und für die Übertrittsbegleitung an die weiterführenden Schulen wurden an manchen Schulen gestrichen.

Stimmen aus unterschiedlichen Landkreisen und Bezirken

  • "Fachfremdes, teilweise ungeeignetes, sogar unfähiges Personal mit überwiegend ganz wenigen Stunden muss so verteilt werden, dass möglichst wenig Schaden entsteht. Erfahrene, gestandene Lehrkräfte müssen deshalb aus der Klasse, müssen die Schule wechseln, müssen für andere mitarbeiten, werden hin und her geschoben. Erfahrene Inklusionslehrkräfte von Profilschulen müssen in die Mobile Reserve, um Platz für weitaus weniger geeignetes Personal, das zusätzlich versorgt werden muss, zu schaffen." Eine Kreisvorsitzende des BLLV
  • "Wir haben zu wenige Klassenleitungen mit ausreichend Stunden (Vollzeitlehrkräfte). Drei Kolleginnen in Teilzeit/Elternzeit aus der Mobilen Reserve müssen sich mit 8 bzw. 6 Stunden eine Klassenleitung teilen." Eine Schulleiterin aus Oberbayern
  • "Die Planungen gestalten sich zum Schuljahresbeginn wesentlich komplexer und hypothetischer als jemals zuvor. Zahlreiche Informationen vom Schulamt, die übermittelt wurden, haben in der Praxis nicht standgehalten. Bis zum heutigen Tag laufen die Verhandlungen mit teilabgeordneten Lehrkräften von anderen Schulen, Koordinatoren von Bildungsträgern und zahlreichen Honorarkräften um Einsatzmöglichkeiten des pädagogischen Personals, um den Unterricht ab der kommenden Woche abbilden zu können. Der Markt ist leer!" Ein Schulleiter einer Mittelschule aus Schwaben
  • "Das Personal an unseren Schulen wird immer mehr eine Art Multi-Kulti-Truppe. Der Stundenplan und die Unterrichtsverteilung orientieren sich zwangsläufig daran. Die Einsatzmöglichkeiten der ‚echten Lehrer‘ bewegen sich immer mehr in Richtung Kernfächer." Ein Schulrat aus Niederbayern
  • "Die Planung wurde auf das absolute Minimum heruntergefahren. Keine Differenzierung in großen Klassen, kein geteilter Förderunterricht und große Gruppen im Fachunterricht." Ein Schulrat aus Mittelfranken
  • "Klassen, in denen wir mehr als 50 Prozent Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund haben, konnten durch den Personalmangel nicht geteilt werden." Ein Bezirksvorsitzender des BLLV
  • "Ukrainische Kinder in der Grundschule dürfen nur in der 1. Jahrgangsstufe in der ASV [Schulverwaltungssoftware] geführt werden. Von der 2. bis zur 4. Jahrgangsstufe dürfen die Kinder nicht eingetragen werden. Das führt dazu, dass zum Beispiel Klassen mit 26 Schülerinnen und Schülern auf dem Papier effektiv bis 28 Schülerinnen und Schüler aufgefüllt werden." Eine Schulleiterin aus Schwaben
  • "Schulleitungen haben jetzt eine weitere Stunde Leitungszeit bekommen. Jetzt dürfen Sie aber bei der Berechnung die Flüchtlingskinder nicht mitzählen. Gerade die Kinder, die viel Arbeit durch die fremde Sprache, Neuaufnahme etc. erzeugen, sind ausgenommen. Ich bekomme jetzt weniger Leitungszeit als vor den ‚Segnungen‘." Ein Schulleiter aus Oberfranken
  • "Es gibt völlig nicht-vorgebildetes Personal, das intensive Einführung und Begleitung braucht." Eine Bezirkspersonalratsvorsitzende
  • "Als fachlich vorgebildetes Personal haben wir z.B. eingestellt: eine Diplom-Grundschullehrerin aus Russland, einen Master-Absolventen Soziale Arbeit, eine kirchliche Religionslehrerin in Rente ohne Studium, einen Master-Absolventen Sozial- und Wirtschafts-Wissenschaft, eine Diplom-Sozialpädagogen, einen Psychologie-Bachelor-Studierenden aus England, einen Mediatoren, eine Trainerin, eine Diplom-Sozialwirtin, einen klinischen Heilpädagogen mit Master-Abschluss, eine Übersetzerin, einen Politikwissenschaftler, eine Diplom-Berufspädagogin Fachrichtung Bautechnik, eine Diplom-Biologin, einen Tennislehrer, eine Hauswirtschaftskraft, einen Virologen, eine Bachelor-Absolventen Deutsche Philosophie, eine Kultur-Wissenschaftlerin, einen Lebensmitteltechnologen, einen Diplom-Chemiker, einen Diplom-Designer, einen B-Trainer Leichtathletik, einen Industriemeister Chemie, eine Diplom-Betriebswirtin." Ein Bereichsleiter einer Regierung in Bayern
  • "Die vierte Englisch-Stunde in den M-Klassen wurde gestrichen." Eine Schulleiterin einer Mittelschule aus Unterfranken
  • "Insgesamt könnte das Kartenhaus am ersten Schultag halten – es steht in jeder Klasse eine Person, wenn auch keine ausgebildete Lehrkraft. Sobald aber weitere Schwangerschaften und Krankheitswellen kommen, ist es vorbei." Eine Bezirkspersonalratsvorsitzende
  • „Die Mobile Reserve wurde mit 568 Stunden gebildet. Davon sind 300 Stunden nicht einsatzfähig, womit effektiv 268 Stunden nutzbar sind. Von diesen wiederum sind größtenteils bereits jetzt alle vergeben. Zum Schuljahresbeginn stehen also tatsächlich nur 40 – 50 h für kurzfristige Ausfälle zur Verfügung." Ein Kreisvorsitzender aus Niederbayern
  • "Allein am heutigen Tag kamen vier neue Kinder aus der Ukraine. Die Deutschklasse an unserer Schule ist mit aktuell 20 gemeldeten Kindern übervoll. Die tatsächliche Zahl der zu unterrichtenden Schülerinnen und Schüler sehen wir am ersten Schultag!" Ein Schulleiter einer Mittelschule aus Schwaben
  •  "Aus unserer Sicht fehlen zu Beginn des Schuljahres allein in Unterfranken mindestens 700 Lehrerinnen und Lehrer. Diese würden gewährleisten, dass ordentlicher Unterricht (kein bestens ausgestatteter!) gehalten werden könnte. Schlimm dabei: Wir sind durch die vielen Mangeljahre derart sediert, dass wir schon gar nicht mehr wissen, wie es eigentlich ist, wenn es normal ist." Ein Bezirksvorsitzender des BLLV
  • "In vielen Klassen hätten wir keinen Klassenleiter, wenn nicht viele Schulen in ihren Stundentafeln „tricksen“ würden. Einige Beispiele: Einschränkung des Unterrichts in WG durch epochalen Unterricht; Wegfall der 3. Religionsstunde an etlichen Grundschulen; Wegfall der 3. Sportstunde an etlichen Grundschulen; Zusammenfassung von Schülern in übermäßig großen Lerngruppen; Einsparungen im Bereich Informatik. Bei uns macht dieses Streichkonzert alleine schon mal 150 Stellen aus." Ein Bezirksvorsitzender des BLLV

Ein fataler Nebeneffekt dieser Entwicklungen sind die großen Unterschiede im Angebot der einzelnen Schulen in ganz Bayern. Das führt nochmals zu einer größeren Bildungsungerechtigkeit. Da jede Schulleitung das Beste aus den Ressourcen vor Ort macht und den individuellen Mangel verwalten muss, werden wir in Zukunft Schulen haben, an denen es keine Förderung gibt, dafür aber musische Angebote. An anderen Schulen gibt es noch Sport, aber kaum noch Werken. Arbeitsgemeinschaften gibt es gar nicht mehr oder nur mehr vereinzelt. Und wer viel Glück hat wohnt in der Nähe einer scheinbar besser ausgestatteten Schule. Wer dagegen Pech hat, hat nicht mal mehr die verpflichtend vorgesehenen Stunden des Stundenplans. Jede Schule spielt ein anderes Konzert, mit verschiedenen Musikern im Orchester, mit ganz unterschiedlichen Instrumenten und mit kaum mehr vergleichbaren Rhythmen.

Hintergrundberichte

Umfassende Analyse, fokussiert auf Grundschulen -> Deutschlandfunkkultur: "Lehrermangel an Grundschulen: Bildungsland bald abgebrannt."

Blick auf die Situation in Deutschland: Frankfurter Allgemeine Zeitung: Der dramatische Lehrermangel an den Schulen (14.09., Plus-Artikel)

 

 

Vom "Streichkonzert" zur bildungspolitischen Strategie

"Während sich die Situation bereits absehbar in diesem Jahr weiter verschlechtern wird, könnte die Blase des ‚Es geht schon irgendwie‘ schon sehr bald gänzlich platzen. Wenn wir uns die aktuellen Zahlen der Studierenden für das Lehramt an Mittelschulen im Erstsemester 2022/23 ansehen, dann stehen wir vor einem bildungspolitischen Abgrund! In diesem Orchester will wohl niemand mehr spielen, kaum jemand mehr dort dirigieren und man fragt sich, ob in der Klaviatur der bayerischen Bildungslandschaft dieses Stück überhaupt noch auf dem Spielplan steht. Und jetzt? Wir wissen, was zu tun ist, damit sich der Lehrermangel langfristig beheben lässt: attraktive Arbeitsbedingungen, die gleiche Eingangsbesoldung in allen Schularten und eine flexible Lehrerbildung! Wir müssen jetzt beginnen, diese Aufgaben anzupacken. Das ist ein klarer Appell an die Staatsregierung. Wir verspielen sonst im bildungspolitischen Streichkonzert die pädagogischen Errungenschaften vieler Jahre – auf Kosten unserer Zukunft", so die Präsidentin des BLLV.

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