Berufseinstieg unter verschärften Bedingungen

Der Umstieg vom Gymnasium an die Grundschule gleicht zuweilen der Quadratur des Kreises. Wie soll ein Betreuer einen Berufseinsteiger coachen, wenn es dazu kaum Gelegenheit gibt? Wie man im Schulalltag diesen Spagat bewältigt und was sich ändern muss, erzählt Karin Leibl. Sie betreut arbeitlose Junglehrerinnen und -lehrer sowie Zweitqualifikanten.

Für viele Umsteiger fühlt sich die Zweitqualifikation an wie ein Sprung ins kalte Wasser. Wie geht’s da deren Betreuern?
Karin Leibl:
Wenn der Zweitqualifikant an die Grundschule kommt und dort noch nie gearbeitet hat, kann das für eine Betreuungslehrkraft manchmal schwierig sein. Sie kennt die Ausbildung eines Gymnasial- oder Realschullehrers nicht genau und weiß deswegen nicht immer, was sie dem Umsteiger erklären muss.

Was sind die größten Unterschiede zwischen Grundschule und Gymnasium oder Realschule?
In der Grundschule ist die Schülerschaft ausgesprochen heterogen. Vom Kind mit Förderbedarf bis zum hochbegabten Schüler ist alles dabei. Die damit notwendige Differenzierung des Unterrichts, der hohe Korrekturaufwand und das intensivere Eingehen auf das einzelne Kind überraschen viele Zweitqualifikanten. Dazu kommt, dass Grundschulen häufig Ganztagsschulen sind. Man hat auch am Nachmittag Unterricht, ist beim Mittagessen dabei, leitet Spielgemeinschaften und Lerngruppen. Das ist eine ganz andere Welt.

Das scheint eine gewaltige Umstellung zu sein. Bereut da nicht der ein oder andere Umsteiger seinen Wechsel?
Einige Zweitqualifikanten haben mir erzählt, „Ich wollte Grundschullehrer werden, konnte das aber wegen des Numerus clausus nicht studieren. Jetzt kann ich doch noch an der Grundschule arbeiten.“ Das finde ich toll, weil diese Menschen doch noch dorthin kommen, wo sie hin wollten. Dann gibt es welche, die zwar mangels Alternative an die Grund- oder Mittelschule gekommen sind, aber am Ende sagen: „Das ist meine Welt. Selbst wenn ich eine besser bezahlte Planstelle am Gymnasium bekäme, will ich da nicht mehr hin.“ Natürlich gibt es auch welche, die an ihrer Schule nicht glücklich sind oder denen es an der Grundschule nicht so gut gefällt.

Wie sieht die Betreuung eines Zweitqualifikanten im Alltag aus?
Der regelmäßige Austausch zwischen Betreuungslehrkraft und seinem Schützling ist oft nicht einfach zu organisieren. Die Zweitqualifikanten müssen fast das volle Stundendeputat stemmen. Wenn dann einer vormittags und der andere nachmittags Unterricht hat, können sie sich nur selten sehen, sodass sich beide Seiten oft nur per E-Mail oder Telefon austauschen können oder sich am Wochenende zusammensetzen müssen.

Es bräuchte also viel mehr Zeit für Gespräche?
Ja, unbedingt. Die Zeit reicht vor allem zu Beginn nicht, erst recht nicht, wenn ein Zweitqualifikant im Februar einsteigt und dringend gebraucht wird. Zu unseren Workshops und Veranstaltungen für Umsteiger kommen deshalb oft auch ihre Betreuer, um einander besser zu verstehen. Die Rahmenbedingungen für Zweitqualifikanten sind eben ganz anders als bei Referendaren. Welche Probleme auftreten können, das weiß der Coach oft erst beim zweiten Schützling.

Einmal pro Woche sollen die Neulinge bei einer Unterrichtsstunde hospitieren. Reicht das?
Zwar machen es die Schulen oftmals möglich, dass mehr hospitiert werden kann wie die vorgeschriebene eine Stunde, wobei auch das bei Weitem nicht reicht. Der BLLV fordert deshalb einen Hospitationstag pro Woche.

Hätten Sie zum Abschluss noch eine Mut machende Botschaft für die Zweitqualifikanten?
Die braucht es nicht. Die positiven Erfahrungen der Leute, die sich für die Grund- oder Mittelschule entscheiden, sprechen für sich. „Das ist ein ganz anderes Lehrersein. Ich erziehe viel mehr, das ist pädagogisches Arbeiten, genau da will ich sein.“ Solche Sätze habe ich schon oft gehört. Was wir brauchen, ist mehr Unterstützung in Form von Zeit, Hospitationen und Crashkursen am Anfang.

                                                                                Das Interview führte Robert Haberer, Online-Redakteur

 

* Zur Person:
Karin Leibl leitet eine Grund- und Mittelschule in Ingolstadt. Im BLLV betreut sie arbeitslose Junglehrerinnen und -lehrer und Zweitqualifikanten. Um Umsteiger besser betreuen zu können hat sich im BLLV eine  Arbeitsgruppe gebildet, die Informationsveranstaltungen, Workshops sowie Beratungsgespräche anbietet.

 

Vorschläge des BLLV zur Reform der Zweitqualifikation

Gymnasial- und Realschullehrer/innen, die keine Anstellung bekommen haben, können sich für die Grund- und Mittelschule zweitqualifizieren. Für Schulen und Lehrkräfte bedeutet das allerdings eine enorme Mehrbelastung. In einem Positionspapier hat der BLLV Forderungen und Verbesserungsvorschläge zusammengefasst.