Ziemlich ernüchternd

Die BLLV-Befragung wirft viele Fragen auf

Wie geht es Frauen im System Schule? Das wollte der BLLV im Sommer 2017 von seinen weiblichen Mitgliedern wissen. Von über 2000 Lehrerinnen, die sich beteiligten, wurden Daten erhoben. Die Ergebnisse fallen positiv aus - auf den ersten Blick. Bei näherer Betrachtung werfen sie allerdings Fragen auf. Frauen im System Schule? Gar nicht einfach.

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Am Thema Sexismus wird deutlich, was gemeint ist: 84% haben noch nie Sexismus im Kollegium erlebt, 16 % aber schon. Offenbar spielt Sexismus am Arbeitsplatz im System Schule keine große Rolle. Das ist beruhigend. Gleichzeitig beunruhigt es, dass 16% Erfahrungen damit machen mussten. Auf Bayern hochgerechnet wären das 12.500 Lehrerinnen. Wie gehen die Betroffenen damit um? Wie "stecken" sie diese Erfahrungen weg und was genau ist ihnen passiert? Wirken sich solche Erlebnisse auf ihren Unterricht aus? Geht der Sexismus von den Kollegen aus? Von der Schulleitung? Von Schülern oder Eltern? Und: wie hoch ist die Dunkelziffer? Die Aussage von 37% aller befragten Lehrerinnen, "geschlechtsbezogene Diskriminierung sei in ihrem Beruf ein Tabu-Thema", lässt eine besorgniserregende Hypothese zu: wenn sich die Mehrheit aller befragten Frauen im System Schule aufgrund ihres Geschlechtes diskriminiert fühlt, könnte es doch auch sein, dass Frauen lieber schweigen, wenn sie Sexismus und seine unzähligen Spielarten erleben. Aber das ist, wie gesagt, eine Hypothese.

Respekt - negative Erfahrungen

Es ist zunächst positiv zu vermerken, wenn weit über die Hälfte die Frage verneint, Lehrerinnen würden von ihren Schülern weniger respektiert als von ihren Schülerinnen. Gleichzeitig beantworten 38% diese Frage aber mit ja. Es gibt also Lehrerinnen, die im Umgang mit männlichen Schülern negative Erfahrungen machen, weil sie eine Frau sind. Wenn ein Schüler einer Lehrerin respektlos begegnet, drängen sich weitere Fragen auf: Hat er sie beleidigt? Nimmt er sie nicht ernst? Macht er sich lustig über sie? Hat er sie womöglich attackiert? Und: Was löst das bei der betroffenen Lehrerin aus? Wie geht sie damit um? Wie begegnet sie diesem Schüler? Wird sie von ihren Kollegen ernst genommen und unterstützt?

Die Zahlen, die auf Sexismus, Diskriminierung und Respektlosigkeit im System Schule hinweisen, machen nachdenklich. Sie zeigen, dass Frauen im System Schule mit anderen Problemen zu tun haben als ihre männlichen Kollegen. Sie haben es vor allem mit Problemen zu tun, die subtil und manchmal schwer zu fassen sind. Das hinterlässt Spuren. Bei der einen mehr, bei der anderen weniger. Es kommen aber noch sehr konkrete Probleme hinzu:

• So fühlen sich 28% bei der Dienstlichen Beurteilung benachteiligt.
• 38% geben an, dass es schwer sei, in Leitungspositionen aufzusteigen.
• 21% fühlen sich im Kollegium "nicht gleich behandelt".

Reizthema Teilzeit

Viele Frauen fühlen sich allein deshalb benachteiligt. So leiden 40% unter den vielen Vertretungsstunden, sie sie trotzdem geben müssen, 84% beklagen sich, an Konferenzen teilnehmen zu müssen, die außerhalb ihrer Arbeitszeit liegen und weitere 34% sehen sich bei der Gestaltung der Stundenpläne übergangen. Knapp die Hälfte aller befragten Frauen (64%) geben an, Erfahrungen mit Vorurteilen gegenüber der eigenen Teilzeittätigkeit gemacht zu haben.

Und die Bilanz?

Sie ist vor allem eines: ernüchternd. Frauen haben es im System Schule genauso schwer wie ihre Kolleginnen in andern Berufen auch. Warum sollte es ausgerechnet an den Schulen anders sein? Vielleicht, weil Schulen einen Bildungsauftrag haben. Sie sollen junge Menschen bilden und sie fit machen für die Zukunft. Und zwar alle - egal, ob Junge oder Mädchen. Wenn gleichberechtigter, respektvoller und wertschätzender Umgang in den Schulen nicht gelingt, wird er nirgendwo gelingen. Wenn er außerhalb von Schule konterkariert wird, wie soll er dann in den Schulen gelebt werden können? Wenn ihn Lehrerinnen und Lehrer nicht mit Leben füllen, wie sollen ihn dann junge Menschen lernen? (schw)

BLLV-Genderbefragung 2017